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Anton Ruß – 29 Jahre Bürgermeister - Von den Nazis aus dem Amt gedrängt

Es waren bewegte und schwierige Zeiten, in denen Anton Ruß 1. Bürgermeister der Gemeinde Sand war. Seine 29 Amtsjahre von 1906 bis 1935 waren geprägt vom Ersten Weltkrieg und seinen Folgen mit Revolution und Inflation, Weltwirtschaftskrise und der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Es waren letztendlich die Nazis, die das Ende seiner Amtszeit herbeiführten, weil sich Anton Ruß geweigert hatte, der NSDAP beizutreten. Sein in den vergangenen Wochen am westlichen Eingang zwischen Altem und Neuem Friedhof angebrachter Grabstein erinnert an das ehemalige Gemeindeoberhaupt.

Bereits im Jahre 2002 hatte der heimatgeschichtliche Arbeitskreis empfohlen, „dem verdienstvollen Bürgermeister ein bleibendes Andenken zu gewähren“. In einem Schreiben an die Gemeinde heißt es dabei u.a.: „In dieser langen Amtszeit, die nicht immer von goldenen Jahren geprägt war, leuchtet im Besonderen der Bau der Mainbrücke bei Zeil, der Schul-haus-Neubau, der Neubau des Langhauses unserer Pfarrkirche sowie der Bau unserer Kinderbewahranstalt heraus.“ Über das Ende der Amtszeit teilt der heimatgeschichtliche Arbeitskreis mit: „Anton Ruß war bis 1935 ehrenamtlicher Bürgermeister unseres Heimatortes und wurde von den Nazis von seinem Amte entbunden.“

Sand war zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts eine arme Gemeinde mit rund 1.200 Einwohnern und vom Einkommen und der Infrastruktur mit der heutigen nicht zu vergleichen. Es ist dennoch bemerkenswert, dass im Jahre 1911 Infrastruktureinrichtungen geschaffen wurden, die heute noch von zentraler Bedeutung für den Ort sind: die Mainbrücke und das Schulgebäude. Wie nützlich die Mainbrücke ist, hat man vor einigen Wochen gemerkt, als sie wegen Reparaturarbeiten gesperrt war.

Wie aus der Gemeindechronik von Johanna Rippstein zu entnehmen ist, ging die Initiative zu dem Neubau von der Gemeinde Sand aus. Für Sand war die Brücke deshalb wichtig, weil die Korbhändler ihre Waren so gut an die Bahn nach Zeil bringen konnten. Bei Hochwasser z.B. musste oft ein Umweg über Zeil gemacht werden, was angesichts der damaligen Transportmöglichkeiten große Zeitverluste und Mehrkosten verursachte. Für die Zugtiere war die Fahrt mit der Fähre zudem eine Quälerei. Da Sand zu dieser Zeit weder über einen Arzt noch eine Apotheke verfügte und Arbeitsplätze rar waren, war der Mainübergang für die gesamte Bevölkerung von Bedeutung.

Die neue Mainbrücke hatte eine freitragende Länge von 70,24 m, die Breite der Straße einschließlich der Fußbänke betrug 6 m. Die Einweihung der Prinzregent-Luitpold-Brücke wurde am 5. März 1911 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung feierlich begangen.

Dass die Sander damals schon feiern konnten, auch wenn die Sonne einmal nicht scheint, ist ebenfalls in der Gemeindechronik verzeichnet. „Am Nachmittag veranstaltete die Gemeinde Sand auf dem in der Nähe der neuen Brücke gelegenen Festplatz Konzert mit Volksbelustigung, wobei sich bald ein fröhliches, buntes Treiben entwickelte, an welchem sich auch der größte Teil der Einwohner von Zeil und der Frühschoppengäste beteiligte. Ein gegen 6 Uhr losbrechendes Gewitter mit kurzem, aber starken Regen konnte nur vorübergehend die festliche Stimmung stören, so dass gegen Abend wieder das lebhafteste Treiben herrschte.“ Wer denkt da nicht unwillkürlich an das Sander Altmain-Weinfest?

Genauso so wichtig wie die Brücke war natürlich die Schule. 1907 verfügte die Sander Schule über drei Klassen und es war absehbar, dass eine weitere notwendig würde, den im Schulgebäude war nur Platz für zwei Klassenzimmer. So wurde an Stelle des alten Schulhauses 1911 ein neues errichtet. Heute dient die eine Hälfte als Schulgebäude, in der anderen ist die Gemeindeverwaltung untergebracht.

In seinem Schreiben vom Februar 2002 hatte der heimatgeschichtliche Arbeitskreis Bürgermeister Ruß und den Gemeinderäten mitgeteilt, dass er sich seit Wochen mit dem Leben und Wirken des Bürgermeisters Anton Ruß beschäftige. Der Arbeitskreis hielte es für angebracht, im Zuge der Neugestaltung des Sander Friedhofes, diesem verdienstvollen Bürgermeister ein bleibendes Andenken zu gewähren.

Unter glücklichen Umständen, heißt es in dem Schreiben weiter, sei der Grabstein von Familie Ruß noch erhalten und lagere auf einem Privatgrundstück. Der Arbeitskreis Heimatgeschichte sei deshalb der Meinung, „man sollte im Zuge der Friedhofsgestaltung, ehrenhalber, diesem Grabstein einen würdigen Platz gewähren. Man sollte, immer wenn möglich Sander Dorfgeschichte hegen und pflegen.“

Im Bauausschuss der Gemeinde wurde der Vorschlag des Heimatkreises diskutiert. Für denkbar wurde als Standort ein Bereich im Zentrum des alten Friedhofes nach dessen Umgestaltung gehalten, zur Aufstellung ist es allerdings nicht gekommen.

Das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges und Beendigung der Nazi-Diktatur in Deutschland vor 75 Jahren und das Aufkommen rechtsradikaler und rechtsnationaler Tendenzen in unserer Gesellschaft hat Bürgermeister Bernhard Ruß zum Anlass genommen, an den Sander Altbürgermeister zu erinnern, der in der Nazi-Zeit sein Amt aufgeben musste. Anton Ruß war Mitglied der konservativen Bayerischen Volkspartei (BVP), die wie die ande-ren Parteien auch nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten aufgelöst wurde.

In der Sander Ortschronik werden die Vorgänge so beschrieben. „1935 tauchte ein neues Wort auf: Gleichschaltung. Seine Bedeutung wurde erst nach und nach verstanden. (. . . .) Der nächste Schritt war: Bürgermeister, Beigeordnete und Gemeinderäte tragen bei feierlichen Anlässen Parteiuniform. Dazu mussten natürlich nun Parteimitglieder diese Ämter be-setzen. Im Juni 1935 legte Bürgermeister A. Ruß sein Amt nieder.“

Im Zuge der Nachlassregelung von Herbert Ruß wurde der Grabstein der Familie Anton Ruß gesichert und auf Initiative des damaligen 3. Bürgermeisters Paul Hümmer in den Bauhof verbracht und restauriert. Der restaurierte Grabstein wurde als Erinnerung und Mahnung an der Wand der Unterstellhalle am Westeingang angebracht. Wegen eines Missverständnisses in der Verwaltung wurde der Grabstein montiert ohne dass Gemeinderat und Öffentlichkeit darüber informiert waren. Es ist bedauerlich, dass dadurch das Gedenken an den verdienten Altbürgermeister nicht in der angemessenen würdigen Form erfolgen konnte.